Mach mal Pause!

Im März erlebte Deutschland und die Pferdewelt eine noch neue Art des Stallalltags und die Hiobsbotschaften brachen nur so über uns und letztendlich auch mich herein. Mein Handy stand nicht mehr still, die Unterrichtstermine fielen aus, ich musste Kurse absagen und so weiter.

Ich kann Euch sagen, dass es zur Selbstständigkeit (neben vielen anderen Dingen) eine Menge Mut, Selbstvertrauen und positive Grundeinstellung braucht. Der Glaube an eine positive Auftragslage, an zukunftsorientierter Arbeit und letztendlich an beständiger Existenz. Menschen, die nicht zur risikobereiten Gruppe gehören, suchen sich besser eine Festanstellung …

 

Ich selbst schätze mich als einen „selbstständigkeitsfähigen“ Menschen ein und habe im Laufe der Jahre gelernt, dass eine etwas schlechtere Auftragslage nicht das Ende der Stallgasse ist und es gute und schlechte Zeiten gibt, die auch vielen anderen widerfahren.

 

Als Angela Merkel erstmals zu ganz Deutschland sprach, war dieser Glaube an meine existenzielle Zukunft allerdings futsch und ich war fertig mit der Welt. Meine Gedanken rasten, ich konnte nicht mehr schlafen - ich wusste nicht, wie es weiter geht.

 

Zum Glück gab es ein paar hart gesottene Reitschüler mit ihren Pferden am Haus, die sich nun über mehr Zeit fürs Pferd freuten. Ich sortierte die Arbeit auf meinem eigenen Hof um, freute mich über die paar übrig gebliebenen Unterrichtsstunden und überlegte, was ich nun mit meiner neu gewonnen Zeit anfangen sollte.

 

Gerade für Selbstständige ist leere Zeit ein Zustand, den es zu vermeiden gibt. Leere Zeit bedeutet: Kein Geld. Niemand überweist mir weiterhin jeden Monat brav einen Geldbetrag, sodass ich mir überlegen kann, in welcher Farbe ich jetzt meinen Stall streichen könnte, oder, was ich für Gartenmöbel kaufe. Ich schaute immer sehr neidisch in die Baumärkte und trotz jeder Ungunst hätte ich jedes Mal, aufgrund der Gesamtsituation, heulen können.

 

Als der erste Tiefpunkt langsam vorüber war, kamen auch die positiven Gedanken wieder und ich entwickelte das Konzept der „Mini-Videos“, die es auf meiner Homepage zu kaufen gibt. Hier werden Alltagsthemen rund ums Pferd behandelt, zusammen mit Übungen für zu Hause. Für 8,50 Euro kann man diese dann bequem mit PayPal zahlen. Die kleinen Videos kamen gut bei Euch an, sodass ich die Reihe auch fortführen werde.

 

Nach der zweiten „Merkel-Ansprache“, der ich angespannt und gebannt vor dem Fernseher folgte, wurde dann die „Zwei-Personen-Regelung“ erlassen. Wäre hier eine Ausgangssperre gekommen… Naja, das brauche ich nicht fortführen.

 

Meine Schüler und ich wurden also erfinderisch. Wie können wir es trotz der ganzen Auflagen und Sicherheitsmaßnahmen schaffen, den Unterricht stattfinden zu lassen?

Ich sprach mit Stallbetreibern und anderen Trainern, wie so etwas aussehen könnte, und wir verlegten viele Stunden ins Gelände, was für manche Pferde und Reiter auch dringend nötig war. Auf Feldwegen, Wiesenstücken und im Wald haben wir den Unterricht improvisiert und uns nicht unterkriegen lassen. Alles natürlich mit Abstand und regelmäßiger Desinfektion.

 

Schüler, die dennoch keine Möglichkeit für Unterricht bei sich hatten, kamen mit ihrem Pferd zu mir auf den Hof, sofern denn auch das noch vom Stallbetreiber erlaubt war.

 

Zeitgleich kam das Förderprogramm des Bundes an den Start, für das ich mich gleich am ersten Tag anmeldete. Hierfür gab es ein paar Kriterien, die ich durch die Umstände auch bedienen konnte und dadurch die staatliche Hilfe bekam. Ohne dieses Geld würde ich heute nicht mehr weiter machen können.

 

Das viele Umplanen und Improvisieren und die erste Zeit der Krise waren eine anstrengende Achterbahnfahrt, die mir wirklich alles abverlangte. Aber mit jedem Tag kam etwas mehr neue Struktur in den neuen Alltag und die Zusammenarbeit aller war eine große Hilfe

 

Ich bin jedem einzelnen von Euch sehr dankbar, der in dieser Zeit in irgendeiner Weise zu meinem Überleben beigetragen hat. Sei es durch den Unterricht, Spenden oder gute Worte. Das alles hat mir sehr geholfen und ich weiß nun, dass selbst so ein blödes Virus mich nicht davon abhält, Unterricht zu geben.

 

Allerdings hat die Zeit, wie schon beschrieben, auch sehr an mir gezehrt, was ich nun im Nachhinein deutlich spüre. Mein Körper sagte: "Es reicht, ich brauche Pause!" Alle meine Akkus und selbst der Reservetank sind in dieser Zeit aufgebraucht worden und ohne ein Auftanken, konnte ich nicht weitermachen.

 

In meinem Urlaub wurde mir bewusst, dass ich froh bin, (so) arbeiten zu dürfen, die Arbeit aber eben auch nicht alles ist. Täglich auf Achse zu sein, sich stündlich auf die unterschiedlichsten Menschen und deren Pferde einzustellen und Wind und Wetter zu trotzen, ist eine schöne aber auch sehr anstrengende Arbeit, die sehr viel fordert und die nicht im grenzenlosen Maße machbar ist.

 

Ich muss (noch mehr) lernen, auf mich, meinen Körper und meine Energie zu hören, denn nur dann kann ich wirklich voll für Euch und die Pferde da sein. Eine Sache, die mir sehr schwer fällt, da ich ein ziemlicher Workaholic bin und nur schwer runterfahren kann. Aber wir hören schließlich nie auf zu lernen.