Mach langsam!

Mittlerweile sehe ich immer mehr Reiter:innen, die sich mit Seitengängen und gymnastizierenden Übungen befassen. Sei es vom Boden oder im Sattel: Die Vorteile der Seitengänge und auch aller anderen Kraft gebenden Lektionen ist ein wunderbares Werkzeug, unsere Pferde in jegliche Richtungen zu optimieren.

 

Was dabei allerdings auch immer wieder diskutabel ist und oft unterschätzt wird, ist die Geschwindigkeit, in der die Pferde innerhalb der Übungen gearbeitet werden.

 

Seitengänge, Traversalen, Rückwärtsrichten und Vor- und Hinterhandwendungen sind versammelnde, beziehungsweise versammelte Lektionen, die das Pferd stärken (sollen), Kraft aufbauen (sollen), die Koordination fördern und die Beweglichkeit verbessern. Diese Übungen gibt es auch für uns Menschen bei der Krankengymnastik oder im Fitnessstudio.

 

Ein tolles Beispiel dafür ist eine Übung, bei der ihr auf allen Vieren seid (Hände und Knie auf dem Boden) und nun einen Arm mit dem dazu passenden diagonalen Bein unter dem Bauch zusammenführt und sich dabei Ellenbogen und Knie berühren. Das andere Paar sichert Euer Gleichgewicht am Boden. Danach streckt ihr den sich vorher berührenden Arm und das Bein nach vorne, beziehungsweise hinten raus und haltet dabei Euren Rücken gerade. Dies wiederholt ihr und wechselt dann.

 

Die Frage ist nun: Würdet ihr diese Übung möglichst schnell ausführen?

 

Mit sehr viel Übungen und vielen voran gegangenen Wiederholungen vielleicht. Aber dann ginge der eigentliche Wert der Übung verloren. Denn: In der Ruhe liegt die Kraft!

 

Ihr werdet merken: So einfach, ist das gar nicht und eine Seite klappt besser, als die andere. Es ist auch mit einer gewissen Anstrengung verbunden und ihr müsst Euch gut konzentrieren, auf Eure Bewegungen achten und Euer Gleichgewicht halten, damit jeder Durchgang sauber ist.

 

Muskelkraft baut sich vor allem durch ruhige, gleichmäßige, andauernde Übungen auf, deren Schwierigkeitsgrad und Anstrengung man steigern kann. Und je langsamer wir Übungen ausführen, desto länger muss der Muskel arbeiten. Des Weiteren führen schnell ausgeführte Übungen zu Fehlern, Überforderung und Verletzungen.

 

Dazu kommt die mentale Verfassung innerhalb und vor allem auch nach der Übung. Viele Reiter fragen Seitengänge zu kurz ab oder beenden die Übungen im falschen Moment.

 

Das Pferd lernt dabei meistens nur: „Ich mache es schnell, damit es schnell vorbei ist.“ Dadurch entsteht der Erfolg nicht in der Übung an sich, sondern darin, die Übung überhaupt (brav) zu machen. Die positive Lösung für das Pferd ist immer das Ende der Übung, weshalb man oft Pferde sieht, die schnell und hektisch werden, nach vorne drücken und sich danach sofort auf das Gebiss schmeißen, um den Zügel (und die Anstrengung) los zu werden.

 

Viele Pferde lernen gar nicht, mit mentaler und körperlicher Anstrengung umzugehen und diese positiv „auszuhalten“. Dieser Punkt erfordert allerdings auch sein sehr großes Maß an Erfahrung und Können des Besitzers, weshalb es in den meisten Fällen aus Unwissenheit geschieht.

 

Wenn wir uns noch ein Mal an die Krankengymnastik-Übung erinnern, werdet Ihr feststellen, dass sie Euch wahrscheinlich in den ersten fünf Versuchen nicht sofort perfekt gelingt und ihr etwas „rein kommen“ müsst. Danach wird es gut und zum Höhepunkt Eurer Anstrengung müsst Ihr Euch sehr konzentrieren und motivieren, noch mal alles richtig zu machen und durchzuhalten. Zum Ende schüttelt Ihr Euch kurz aus und macht die nächste Übung. (Im besten Falle fallt nicht tot auf die Matte und bewegt Euch die nächste Stunde nicht mehr.)

 

 

Dieser Vorgang wäre optimal, da er Eure Muskulatur anspricht und fordert und der Muskel dadurch wachsen kann. Pferde haben dieses Wissen nicht. Wir müssen Ihnen sagen und zeigen, welches Ziel wir in den Übungen verfolgen.

 

Dabei fangen wir natürlich einfach aber korrekt an, indem wir das Pferd zunächst in seitliche Bewegungen bringen, die Reaktion auf unsere Hilfen loben und einzelne falsche Intentionen schon einmal korrigieren. Im Verlauf steigern wir das Niveau und sind soweit, ernsthaft mit den Seitengängen zu arbeiten.

 

Nun kommt der Punkt an dem es für unser Pferd anstrengend wird. Dies zeigt sich durch vermehrte Fehler, Kopfschlagen, Wehrigkeit, Festigkeit, Rennen oder Ähnlichem.

 

Hier sind nun drei Dinge wichtig:

 

- Erstens, dass es uns bewusst ist und wir uns diesen Punkt merken (Zeit, Wiederholungen, Schritte).

 

- Zweitens, wir dem Pferd in einer weiteren Wiederholung die Möglichkeit geben, sich in der Übung mental zu entspannen.

 

- Drittens, das Pferd für das brave, konzentrierte und ordentliche Ausführen der Übung loben, aber es danach nicht einfach los zu lassen, sondern die Übung zum Beispiel mit einem Geradestellen und anschließendem Anhalten zu beenden.

 

Wir müssen also in der Übung bleiben, auf die Richtigkeit und das gute Benehmen währenddessen beharren, auch, wenn dies eine Zeit dauert und das Pferd sich in seiner Wehrigkeit steigert. Würden wir die Übungen in der „schlechten Phase“ aufgeben, lernt es, sich den schlechten Teil zu merken, da er die Beendigung und damit das Lob darstellt.

 

Wichtig für die folgenden Male ist hier Punkt eins, der uns sagt, wann die Grenze beginnt und wie sie sich äußert. Nur dann können wir darauf reagieren, in dem wir die Übung beim nächsten Mal zum Beispiel einfacher aufbauen, das Pferd besser warm machen oder mehr auf gebogener Linie arbeiten.

 

Natürlich liegt es am Besitzer, für alle Stufen und Situationen die richtige Vorgehensweise zu finden und auch einzelne Elemente einfacher zu gestalten.

 

Diese Arbeit beinhaltet vor allem die eigene Disziplin und Konsequenz des Besitzers Gleiches von seinem Pferd zu verlangen und es ihm auch zu lehren. An Grenzen zu gehen, ist dabei nicht immer die schönste Sache, aber sie ist wichtig für die komplette Ausbildung des Pferdes.

 

Muskeln an gut ausgebildeten Pferden kommen nicht von ungefähr. Das Geheimnis dahinter, ist das gleiche, wie im Fitsessstutdio: You’ve got to work for it!